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Gastbeitrag: “Warum die globale Strahlkraft des US-Dollar abnimmt”

Gastbeitrag: “Warum die globale Strahlkraft des US-Dollar abnimmt”

Im globalen Währungswettbewerb könnte langfristig eine Währung auftrumpfen, die bisher noch niemand auf dem Zettel hat: die indische Rupie.

Den Niedergang des US-Dollar haben Ökonomen schon häufig prognostiziert – und stets lagen die Kassandra-Rufer falsch. Weder das Ende des Systems von Bretton Woods in den frühen 1970er-Jahren noch mehrere amerikanische Finanzkrisen, zuletzt 2008, haben die Rolle des Dollar als führende Transaktions- und Reservewährung gravierend gemindert. Der japanische Yen, die D-Mark und später der Euro konnten die Stellung des Greenback nicht gefährden.

Doch die aktuellen geopolitischen Konflikte haben einmal mehr die Suche nach neuen Optionen beflügelt. Von Brasilia bis Peking fragen sich mächtige Regierungen, ob sich nicht Alternativen zum US-Dollar finden lassen. In Asien, Afrika und Lateinamerika ist die Skepsis gegenüber der Verwendung des US-Dollars zuletzt deutlich gestiegen: Die Zunahme von Sanktionen hat vielen Regierungen vor Auge geführt, welche politischen Risiken mit der Dollar-Nutzung verbunden sind.

Heute hat der US-Dollar eine zentrale Position im internationalen Finanzsystem. 2022 war er nach Angaben der Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich an fast 90 Prozent der weltweiten Devisentransaktionen beteiligt und damit die meistgehandelte Währung auf dem Devisenmarkt. 60 Prozent der weltweiten Währungsreserven der Notenbanken entfallen immer noch auf den US-Dollar; vor 20 Jahren waren es mehr als 70 Prozent.

Doch die zentrale Rolle des US-Dollar wird durch die Sanktionspolitik der westlichen Länder geschwächt. Sanktionen der USA, der EU, Großbritanniens und Japans betreffen aktuell nicht nur Russland, sondern fast ein Drittel aller Staaten. Vor allem die Regierung Biden, von der Unbezwingbarkeit ihrer Währung überzeugt, nutzt Finanzsanktionen als Ersatz für direktes militärisches Engagement. Je stärker Amerika aber den Dollar als finanzpolitische Waffe einsetzt, desto mehr nimmt die Suche nach Alternativen zu.

So gewinnt etwa die Währung der Vereinigten Arabischen Emirate, der Dirham, überraschend an Bedeutung, weil dessen Wechselkurs an den Dollar gekoppelt ist: Russland und andere Länder können den Dirham als Transaktionswährung nutzen, ohne dass sich die Handelspartner der Gefahr von US-Sanktionen aussetzen.

Doch welche Währung könnte mittelfristig den US-Dollar attackieren? Häufig wird der chinesische Yuan genannt, aber diese Option ist unrealistisch. Das kommunistische Regime in Peking müsste dazu den Kapitalverkehr liberalisieren und auf die bisherigen Kontrollen verzichten. Die chinesische Regierung verschärft aber seit geraumer Zeit die Überwachung der Außenwirtschaft. Generalsekretär Xi Jinping dürfte nicht bereit sein, das Risiko von Kapitalabflüssen und Wechselkursschwankungen einzugehen.

Eine Alternative könnte daher mittelfristig die indische Rupie werden. Sollte es der Regierung von Narendra Modi weiterhin gelingen, das Land auf einem Pfad anhaltenden Wirtschaftswachstums zu halten, wäre die Rupie bald nicht nur die Währung des bevölkerungsreichsten Landes der Welt, sondern auch einer großen Volkswirtschaft. Anders als Washington steht Neu-Delhi auch nicht im Ruf, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen politisch zu überfrachten. Indien ist 2023 ein Land, das sowohl mit Russland als auch mit den westlichen Unterstützerländern der Ukraine lebhaften Waren- und Dienstleistungshandel betreibt und sich weigert, gegen Russland Sanktionen zu verhängen.

Aktuell spricht allerdings noch einiges gegen eine prominente Rolle der Rupie. Gegenüber dem US-Dollar hat die indische Währung in den vergangenen 15 Jahren die Hälfte ihres Wertes verloren. Indien befindet sich gewiss in einer Phase hohen Wachstums, aber die weitere Liberalisierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte trifft vielfach auf innenpolitischen Widerstand.

Gruß aus dem 16. Jahrhundert

Voraussetzung für eine nennenswerte internationale Rolle der Rupie wäre der weitgehende Abbau der Kapitalverkehrskontrollen. Dabei hat das Land zwar erhebliche Fortschritte erzielt und strebt nach Aussagen von Notenbankchef Shaktikanta Das mittelfristig die volle Konvertibilität der Rupie ebenso an wie die Internationalisierung seiner Finanzmärkte. Gouverneur Das betont aber auch, dass die Liberalisierung ein allmählicher Prozess sein wird. Vor 2030 dürfte die Rupie für ausländische Anleger und Regierungen kaum deutlich an Bedeutung gewinnen.

Historisch gesehen war die Rupie aber schon einmal eine bedeutende Regionalwährung. Vom 16. Jahrhundert an war die Silber-Rupie frei handelbar und ein beliebtes Zahlungsmittel in Südasien und dem arabischen Raum. Erst der Aufstieg des britischen Pfunds reduzierte die Bedeutung der Rupie.

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