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Wie Nordkorea durch Waffenlieferungen an Russland sein Bedrohungspotenzial stärken kann

Wie Nordkorea durch Waffenlieferungen an Russland sein Bedrohungspotenzial stärken kann

Die Schützenhilfe für Russlands Ukraine-Krieg lässt sich Nordkorea sicherlich bezahlen. Die Sorge ist, dass Russland mit Waffentechnik und Know-how Nordkoreas Atomstreitmacht stärken könnte.

Die Schützenhilfe für Russlands Ukraine-Krieg lässt sich Nordkorea sicherlich bezahlen. Die Sorge ist, dass Russland mit Waffentechnik und Know-how Nordkoreas Atomstreitmacht stärken könnte.

Die atomare Bedrohung ist real: Am 16. März startete Nordkorea eine Langstreckenrakete, die die USA und Europa erreichen kann. Bis 2027 könnte das Land laut einer neuen Schätzung über 200 Atomsprengköpfe besitzen.

Das ist passiert: Waffenlieferungen Nordkoreas an Russland haben die USA und die Nachbarn Südkorea und Japan alarmiert. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die drei Verbündeten die Lieferungen «auf das Schärfste». Die drei Staaten bestätigten nach eigenen Angaben mehrere Transporte aus Nordkorea in das Kriegsgebiet in der Ukraine.

Auch unabhängige Experten bestätigten anhand von Satellitenfotos, dass sich die Waffenlieferungen seit dem Gipfeltreffen zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Russlands Präsidenten Wladimir Putin beschleunigt haben. Zwei Befürchtungen treiben die USA, Japan und Südkorea um: erstens, dass Nordkorea mit seinem grossen Waffenarsenal die Munitionsknappheit Russlands ausgleicht und damit zur Verlängerung des Krieges beiträgt. Zweitens bemühe sich Nordkorea im Gegenzug um russische Militärhilfe, um seine eigenen militärischen Fähigkeiten auszubauen.

Darum ist es wichtig: Am Anfang des Rüstungsgeschäfts der beiden langjährigen Partner stand Nordkoreas Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg im Brennpunkt. Schon das verstiess gegen Sanktionen der Vereinten Nationen, die allen Staaten den Waffenhandel mit Nordkorea untersagen. Doch nun rückt die Frage in den Vordergrund, was Nordkorea von der Waffenbrüderschaft mit Putin will. Denn eine weitere nukleare Aufrüstung Nordkoreas könnte die ohnehin angespannte Sicherheitslage in Ostasien weiter verschärfen.

Der Umfang der Gegenleistungen ist noch unklar. Spekulationen reichen von Energie- und Lebensmittellieferungen bis hin zum Transfer von Atomwaffentechnologie.

Nordkorea hat sich bereits zum Atomwaffenstaat erklärt und baut sein Arsenal an nuklearen Sprengköpfen und Raketensystemen zügig aus. Bis 2027 könnte Nordkorea sein Arsenal von derzeit geschätzten 35 bis 65 Nuklearsprengköpfen auf 242 aufrüsten, schätzten im April der südkoreanische Think-Tank Asan Institute for Policy Studies und die amerikanische Denkfabrik Rand Corp. Darüber hinaus erwarten die Strategen, dass Nordkorea bis dahin nicht nur über mehrere Dutzend Interkontinentalraketen verfügt, die die USA und Europa erreichen können, sondern auch über Hunderte von Trägersystemen kürzerer Reichweite für Angriffe auf Südkorea oder Japan.

Die USA, Japan und Südkorea haben daher davor gewarnt, dass Russland Nordkorea nukleare oder ballistische Raketentechnologie liefern könnte. «Solche Transfers würden die laufenden Bemühungen der internationalen Gemeinschaft gefährden, sensitive Technologien von den Händen von Akteuren fernzuhalten, die auf eine Destabilisierung der regionalen Sicherheit hinarbeiten und Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und weltweit bedrohen», heisst es in ihrer Erklärung.

Ob Russland wirklich so weit gehen will, Atomwaffen-Know-how mit Nordkorea zu teilen, bleibt abzuwarten. Schliesslich hat sich Nordkorea in der Vergangenheit immer wieder als unbequemer und störrischer Gesprächspartner erwiesen, der seine Partner China und Russland gerne gegeneinander ausspielt. Aber der Transfer anderer Technologien wäre ebenfalls brisant.

Die Nordkorea-Expertin Sue Mi Terry, Senior Advisor bei der amerikanischen Strategieberatung Macro Advisory Partners, warnt davor, dass Russland technologisch beim Raketenprogramm helfen könnte, beim Bau von Hightech-Waffen wie Langstreckenraketen, ballistischen Hyperschallraketen, atomgetriebenen U-Booten und Spionagesatelliten. «Das sind alles Problembereiche für Nordkorea», sagt Terry. Nun könne Nordkorea die Zuverlässigkeit seiner Waffen verbessern. «Das ist das wirklich Besorgniserregende», so die Expertin.

Ein weiterer Vorteil des Waffendeals für Nordkorea ist die mögliche Rückkehr als Waffenlieferant für all jene Gruppen und Nationen, die sich nicht um die Uno-Sanktionen scheren. Gemäss Südkoreas Generalstab hat die Terrororganisation Hamas bei ihrem Angriff auf Israel Waffen aus Nordkorea verwendet.

Mit der Öffnung der russischen Handelsroute steht einer Ausweitung des Geschäfts wenig im Wege. Die frischen Deviseneinnahmen könnte Nordkorea dann dazu nutzen, die Entwicklung seiner Atomwaffen und diverser Raketensysteme voranzutreiben. Der ehemalige amerikanische Sonderbeauftragte für die Nichtverbreitung von Atomwaffen Robert Joseph warnt gar vor einem Horrorszenario. «Ich denke, sie könnten leicht Atomwaffen an andere Schurkenstaaten und an jene Art von Akteuren verkaufen, die wir bei den Terroranschlägen im Nahen Osten beobachten», sagte er kürzlich in einem Interview mit dem staatlichen amerikanischen Sender Voice of America.

Nordkorea kann zudem hoffen, durch Waffenlieferungen an Russland die liberale Weltordnung weiter zu unterminieren. Dies würde den Handlungsspielraum des Regimes auf dem internationalen Parkett – und damit die Einnahmequellen – weiter vergrössern.

So geht es weiter: Die Möglichkeiten, gegen Nordkorea vorzugehen, sind begrenzt. Neue internationale Sanktionen gegen das Land oder gegen Länder, die entgegen den Uno-Resolutionen mit ihm Handel treiben, dürften kaum durchsetzbar sein. Schliesslich hat Russland als ständiges Mitglied im Uno-Sicherheitsrat ein Vetorecht und kann damit unliebsame Beschlüsse verhindern. China fällt als Partner bei der Umsetzung und Kontrolle von Sanktionen derweil aus wegen wachsender Spannungen mit den USA.

So bleibt den USA, Südkorea und Japan wohl nur die Fortsetzung ihrer bisherigen Strategien: Dazu gehört der Ausbau der trilateralen Sicherheitskooperation. Seit dem vergangenen Jahr haben die drei Regierungen gemeinsame Militärmanöver intensiviert und eine engere Kooperation beschlossen. Darüber hinaus suchen die Staaten nach unilateralen Sanktionen, um Nordkorea und andere Staaten, die gegen Uno-Resolutionen verstossen, zu bestrafen.

Das meinen wir: Die nordkoreanisch-russische Waffenbrüderschaft erhöht zum einen die Gefahr eines Konflikts in Ostasien. Zum anderen könnten nordkoreanische Waffenlieferungen – bis hin zu Atombomben – Konflikte in anderen Weltregionen verschärfen. Als Gegenmassnahme bleiben neben einem Signal der Gesprächsbereitschaft nur die Abschreckung durch eine engere Zusammenarbeit der USA mit ihren beiden ostasiatischen Verbündeten Japan und Südkorea und ein Bekenntnis der USA, atomare Angriffe auf ihre Alliierten wirklich mit Gegenschlägen zu beantworten.

Die Strategie hat jedoch ein Problem: Sie ist fragil. Streitigkeiten über Japans Eroberungsgeschichte oder ein Machtwechsel in Südkorea von den Konservativen zu den Linken könnten die aufkeimende Kooperation der Nachbarn jederzeit wieder zum Einsturz bringen. In den USA könnte eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump die trilaterale Kooperation infrage stellen. Die Lage bleibt also kritisch und erfordert eine enge Absprache aller interessierten Parteien, inklusive Europas. Denn nun zeigt sich, dass die Brennpunkte der Welt zunehmend miteinander vernetzt sind.

Autor: Martin Kölling · Artikel aus der NZZ · Bild: Die atomare Bedrohung ist real: Am 16. März startete Nordkorea eine Langstreckenrakete, die die USA und Europa erreichen kann. Bis 2027 könnte das Land laut einer neuen Schätzung über 200 Atomsprengköpfe besitzen. (AP)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

 

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