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Wie frei sind Pakistans Wahlen?

Wie frei sind Pakistans Wahlen?

Diese Woche wählt Pakistan, aber die Euphorie im Land scheint gedämpft. Der populäre Imran Khan darf nicht antreten, und der Gewinner scheint bereits festzustehen.
Nawaz Sharif, Zweiter von rechts, steht praktisch schon als Wahlsieger fest. Betsy Joles / Bloomberg

Diese Woche wählt Pakistan, aber die Euphorie im Land scheint gedämpft. Der populäre Imran Khan darf nicht antreten, und der Gewinner scheint bereits festzustehen.

Am Donnerstag wird in Pakistan gewählt, über 120 Millionen Wähler könnten an die Urne gehen. Pakistan ist eine Atommacht, ein Verbündeter Chinas, ein ewiger Rivale Indiens. Und doch scheint die Wahl selbst in Pakistan weniger zu bewegen als in anderen Jahren. Vielleicht, weil sie eigentlich schon fast vor dem Wahltag entschieden ist.

Der vielleicht populärste Politiker des Landes, Imran Khan, wurde erst vergangenen Woche zu zwei Gefängnisstrafen verurteilt – einmal zu zehn, einmal zu vierzehn Jahren. Er ist seit Monaten inhaftiert. Diese Woche dürfte eine weitere Gefängnisstrafe dazukommen. Es ist unklar, ob er sie alle absitzen muss.

Khan war bis 2022 Premierminister, dann wurde er gestürzt. Es ist ein gängiger Vorgang in Pakistans notorisch unruhiger Politik: Seit der Unabhängigkeit 1947 konnte kein Premierminister seine fünfjährige Amtszeit beenden.

Was allerdings immer gilt: Die eigentliche Macht im Land liegt beim Militär. Ohne die Zustimmung der Generäle kann kein Premierminister in Pakistan regieren. Unliebsame Staatsoberhäupter werden entweder weggeputscht, oder es wird eine Abwahl orchestriert.

Umgekehrte Vorzeichen

Khan hat bei seiner Wahl 2018 selbst von dieser Tatsache profitiert. Er war der Kandidat der Generäle, sein Vorgänger und Konkurrent Nawaz Sharif war zuvor abgesetzt worden und sass während der Wahl im Gefängnis. Sechs Jahre später ist es genau umgekehrt: Khan ist im Gefängnis, und Nawaz Sharif dürfte am Donnerstag die Wahl gewinnen. Sharif war bereits dreimal Premierminister Pakistans.

Ungewöhnlich ist, wie hart die Sicherheitskräfte gegen Khan und seine Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), vorgehen. Nach seiner Absetzung hatten Khan und seine Anhänger immer wieder Proteste organisiert, dabei kam es auch zu Ausschreitungen und Gewalt gegen Militärstützpunkte. Khan ist ein Volksheld in Pakistan, er ist ein ehemaliger Cricket-Star, er führte das oft gebeutelte Pakistan einst zum Weltmeistertitel. Er ist ebenfalls ein talentierter Populist, der sich zeitweise in seiner Villa in Lahore verschanzte und dort internationale Medien mitten in der Nacht zum Interview empfing.

Nach dem Höhepunkt der Proteste im vergangenen Jahr nahm das Militär nicht nur Khan, sondern auch mehrere Parteikader fest. An den Wahlen darf die PTI offiziell nicht antreten. Ihr Symbol auf dem Wahlzettel – ein Cricketschläger – ist verboten. Ihre Kandidaten müssen als Unabhängige und mit eigenen Symbolen antreten. Das mag nach einer Kleinigkeit klingen, aber in einem Land, in dem 58 Prozent Analphabeten leben, spielt es eine grosse Rolle, als Partei auf dem Wahlzettel einfach identifizierbar zu sein.

Die PTI versucht über Social Media Wahlkampf zu machen. Sie verfügt dort über eine grosse und loyale Gefolgschaft vor allem in Pakistans junger Bevölkerung. Es ist allen Bemühungen zum Trotz unwahrscheinlich, dass die PTI eine Mehrheit holt. Diese dürfte an die Muslimliga von Nawaz Sharif gehen.

Sharif selber ist erst im Oktober aus seinem selbstgewählten Exil in Grossbritannien zurückgekehrt. Und rechtzeitig zu den Wahlen hat das Oberste Gericht Anfang Jahr beschlossen, dass auch verurteilte Straftäter sich als Kandidaten aufstellen lassen dürfen. Damit wäre Sharifs Weg für eine vierte Amtszeit frei.

Dringende wirtschaftliche Probleme

Die Unruhen in Pakistans Politik lähmen das Land schon über ein Jahr. Dabei gäbe es dringende Probleme anzupacken. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Verschuldung ist hoch: Pakistans Auslandschulden betragen über 120 Milliarden Dollar, und das bei einem Bruttoinlandprodukt von gerade einmal 341 Milliarden Dollar. Das Land produziert wenige Produkte für den Weltmarkt. Die Inflation erreichte 2023 Rekordwerte.

Im vergangenen Jahr war Pakistan auch immer wieder nahe am Staatsbankrott, weil Schulden fällig waren, Pakistan aber nicht über die Devisen verfügte, diese zu begleichen. Abhilfe schafften Fristenverlängerungen des grössten Schuldners China, aber auch ein Finanzpaket des internationalen Währungsfonds (IMF). Der IMF überwies Pakistan nach langem Hin und Her im vergangenen Jahr 3 Milliarden Dollar. Auch die neue Regierung dürfte beim IMF bald wieder um ein Hilfspaket ersuchen.

Der IMF zierte sich lange, das Hilfspaket zu überweisen, zu oft hatte Pakistan in den vergangenen Jahren schon versprochen, sich an die vom IMF auferlegten Sparpläne zu halten. Geschehen ist jeweils wenig. Pakistan verfügt über eine aufgeblasene Bürokratie, der Staatsapparat verschlingt viel Geld, genauso wie der aufgeblähte Sicherheitsapparat.

Airline verkauft

Diesmal gibt es zumindest Anzeichen dafür, dass es Pakistan mit den Sparplänen ernst meint. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die nationale Fluggesellschaft PIA veräussert werden soll – sie schreibt seit Jahren Verluste.

Pakistans Probleme werden verstärkt durch eine Krise an der Grenze zu Afghanistan. Seit dort die Taliban im Sommer 2021 an die Macht gelangten, steigt die Zahl der Terrorangriffe im Grenzgebiet. Im vergangenen Jahr wurden fast tausend Zivilisten und Soldaten bei Terrorattacken getötet. Im Grenzgebiet sind sowohl die pakistanischen Taliban (TTP) als auch der Islamische Staat aktiv. Zudem verüben Separatisten in der westlichen Provinz Baluchistan immer wieder Anschläge. Dies sorgte im Januar für Spannungen mit dem Nachbarn Iran: Dieser hatte Separatisten auf pakistanischem Gebiet beschossen – Pakistan antworte ebenfalls mit Luftangriffen auf Separatisten auf iranischem Gebiet.

Autor: Andreas Babst, Dehli · Artikel aus der NZZ · Bild: Nawaz Sharif, Zweiter von rechts, steht praktisch schon als Wahlsieger fest. (Betsy Joles / Bloomberg)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

 

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