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Ein Vier-Sterne-General wird Indonesiens neuer Präsident. Wie wird er sich zwischen Amerika und China positionieren?

Ein Vier-Sterne-General wird Indonesiens neuer Präsident. Wie wird er sich zwischen Amerika und China positionieren?

Der 72-jährige Prabowo Subianto ist zum Präsidenten Indonesiens gewählt worden. Er ist sich der geopolitischen Bedeutung seines Landes im Indopazifik bewusst und wird selbstbewusst auftreten.
EIndonesiens neuer Präsident Prabowo Subianto ist wenige Monate vor seiner Amtseinführung zum Vier-Sterne-General ernannt worden. Der 72-Jährige hatte Jahrzehnte im Militär gedient. (Adi Weda / EPA)

Im Oktober wird Prabowo Subianto als Indonesiens neuer Präsident vereidigt. Prabowo, 72 Jahre alt und Vier-Sterne-General, erhielt zusammen mit Gibran Rakabuming Raka, dem neuen Vizepräsidenten und ältesten Sohn des bisherigen Staatsoberhaupts Joko «Jokowi» Widodo, bei der Präsidentschaftswahl im Februar 58,6 Prozent der Stimmen.

Für Prabowos Erfolg gibt es zwei Gründe: Erstens sprach sich der amtierende Präsident Jokowi für Prabowo aus. Damit war ihm der Wahlsieg sicher, denn der Amtsinhaber ist in Indonesien mit Zustimmungswerten von mehr als 70 Prozent populär. Prabowo tat bei seinen Auftritten, was er tun musste. Er lobte Jokowi und betonte, den eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen zu wollen. Prabowo will wie sein Vorgänger die Infrastruktur und die industrielle Produktion ausbauen.

Zweitens hat er sich ein neues Image verpasst. 2014 und 2019, als er in erbittert geführten Wahlkämpfen gegen Jokowi verloren hatte, gerierte er sich als Hardliner. 2024 zeigte er sich konziliant und volksnah

«Tausend Freunde sind nicht genug, ein Feind ist zu viel»

International soll Indonesien weiter keinem Block angehören und «frei sowie aktiv» agieren. Dieses Credo gehört zu den Grundsätzen indonesischer Aussenpolitik. Eine Wendung des einstigen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono, die auch Prabowo verwendet, bringt den aussenpolitischen Kurs Jakartas auf den Punkt: «Tausend Freunde sind nicht genug, während ein Feind zu viel ist.» Das Land will nach allen Seiten hin offen sein. Daran wird sich auch unter dem neuen Präsidenten nichts ändern.

Prabowo dürfte in der Aussenpolitik jedoch deutlicher als sein Vorgänger die Ambitionen Indonesiens formulieren. Das Land ist sich seiner geopolitischen Bedeutung bewusst: Es prägt mit seinen mehr als 17 000 Inseln den Indopazifik. Indonesien hat 275 Millionen Einwohner, die Mehrzahl sind Muslime. Das Land verfügt über wichtige Rohstoffe wie Nickel. Und es sieht sich als Interessenvertreter jener Länder, die sich in der noch von Amerika und Europa dominierten globalen Ordnung unterrepräsentiert fühlen.

Auch Prabowos Vita spricht für ein selbstbewusstes Auftreten in der Aussenpolitik, denn er ist weltgewandter als Jokowi, der nur in Indonesien gelebt hat: Prabowo ist im Westen ausgebildet worden, darunter in der Schweiz, spricht mehrere Sprachen und hat im Kabinett von Jokowi zwischen 2019 und 2024 als Verteidigungsminister auf internationalem Parkett agiert.

An Peking führt kein Weg vorbei

Die Ausrichtung der indonesischen Aussenpolitik steht jedoch: China spielte bereits in Jokowis Amtszeit eine wichtige Rolle. Er reiste fünfmal dorthin, allein dreimal zwischen Juli 2022 und Oktober 2023. Chinesische Investoren sind wichtige Partner beim Abbau und bei der Verarbeitung von Nickel. Indonesien hat die weltweit grössten Vorkommen des Rohstoffs, ohne den sich Elektromobilität nicht realisieren lässt.

Chinesische Firmen bauten auch die erste Strecke für Hochgeschwindigkeitszüge in Südostasien. Sie ist seit Oktober vergangenen Jahres in Betrieb und verläuft zwischen Jakarta und Bandung. Sie soll in einem nächsten Schritt bis Surabaya verlängert werden; die Millionenstadt liegt im Osten der Insel Java.

Prabowo braucht chinesische Investitionen und Know-how, um seine ehrgeizigen Wirtschaftsziele zu erreichen. Im Wahlkampf hatte er versprochen, dass Indonesien während seiner Präsidentschaft jährlich um 8 Prozent zulegen werde. In Eigenregie wird es Indonesien nicht schaffen. Prabowo wird auf China setzen.

Die USA haben als Wirtschaftspartner dagegen deutlich weniger zu bieten. Hilfen Washingtons für den Ausbau der Infrastruktur sind kaum zu erwarten, auch wenn die G-7 vor zwei Jahren bei ihrem Gipfel in den bayrischen Alpen noch 600 Milliarden Dollar für Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern versprochen hatte.

In Washington lassen sich im derzeitigen innenpolitischen Klima keine Freihandelsabkommen und damit kein erleichterter Zugang zum riesigen amerikanischen Markt für indonesische Produkte realisieren. Versuche, durch das Indo-Pacific Economic Framework auch ohne Freihandelsabkommen Handelserleichterungen zu erreichen, sind gescheitert. Der amerikanische Präsident Joe Biden hatte die Wirtschaftsinitiative vor annähernd zwei Jahren ins Leben gerufen. Ihr gehören 14 Länder in Nordamerika, Ostasien, Ozeanien und Südostasien an.

In Sachen Verteidigung sieht es jedoch anders aus. In diesem Bereich steht Prabowo den USA näher als China. Mit seinem amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin hatte er als Verteidigungsminister Ende vergangenen Jahres ein Abkommen über die Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen unterzeichnet.

Die beiden Länder führen zudem jährlich das zweiwöchige Manöver «Super Garuda Shield» durch. Im vergangenen Jahr nahmen so viele Soldaten wie nie zuvor daran teil. Sie kamen auch aus Australien, Frankreich, Grossbritannien, Japan und Singapur.

«Das Südchinesische Meer ist ein grosses Problem»

Ob es jedoch nach Prabowos Amtsantritt so bleibt? Das hängt von der Frage ab, wer im November die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump Südostasien links liegenlassen.

Prabowo will für ein solches Szenario vorbereitet sein, denn wegen überschneidender Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer schwelt zwischen China und Indonesien ein Konflikt. Die ausschliessliche Wirtschaftszone Indonesiens rund um die Natuna-Inseln, die im Norden des Landes liegen, wird ebenfalls von China beansprucht.

Das Gebiet ist fischreich, weshalb in den vergangenen Jahren vermehrt chinesische Fischerboote, oft begleitet von Schiffen ihrer Küstenwache, in die ausschliessliche Wirtschaftszone Indonesiens eingedrungen sind. Zudem soll es im Gebiet Gas- und Ölvorkommen geben.

Jokowi wehrte sich nur halbherzig gegen das Vorgehen der Chinesen. Prabowo hat das Südchinesische Meer dagegen als «grosses Problem» bezeichnet. Er fügte jedoch an, dass er dieses mit China diplomatisch lösen wolle – aus einer Position der militärischen Stärke heraus. Als Verteidigungsminister hat Prabowo die Aufrüstung der Armee vorangetrieben. Sie soll Stärke zeigen und im Südchinesischen Meer Indonesiens Interessen verteidigen. Eskalieren soll die Situation jedoch nicht. Dafür sind die wirtschaftlichen Beziehungen mit China für Indonesien zu wichtig.

Prabowo dürfte in der Aussenpolitik zwar präsenter sein als Jokowi. Eine Abkehr vom bisherigen Kurs bedeutet der neue Präsident jedoch nicht: Auch unter Prabowo wird Indonesien versuchen, mit Amerika und China gut auszukommen, für niemanden Partei zu ergreifen und von beiden Ländern zu profitieren.

Autor: Matthias Müller, Singapur · Artikel aus der NZZ · Bild: Indonesiens neuer Präsident Prabowo Subianto ist wenige Monate vor seiner Amtseinführung zum Vier-Sterne-General ernannt worden. Der 72-Jährige hatte Jahrzehnte im Militär gedient. (Adi Weda / EPA)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

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