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Wird die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank von den chinesischen Kommunisten kontrolliert?

Wird die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank von den chinesischen Kommunisten kontrolliert?

Die AIIB war Pekings Antwort auf die von den USA dominierte Weltbank. Jetzt ist ihr kanadischer PR-Chef mit Furore abgesprungen und erhebt schwere Vorwürfe: Chinas KP habe einen zu grossen Einfluss auf die multilaterale Entwicklungsbank. Was ist da dran?

Die AIIB war Pekings Antwort auf die von den USA dominierte Weltbank. Jetzt ist ihr kanadischer PR-Chef mit Furore abgesprungen und erhebt schwere Vorwürfe: Chinas KP habe einen zu grossen Einfluss auf die multilaterale Entwicklungsbank. Was ist da dran?

Bob Pickard hatte seinen Abgang als Kommunikationschef der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) in Peking offenbar genau geplant – und er inszenierte ihn, wie es wohl nur PR-Profis können. Anfang Juni hielt der Kanadier laut einer E-Mail, die die NZZ einsehen konnte, ein internes Medienseminar für Mitarbeiter der AIIB. Die Fortbildung trug den Titel «When the headline is YOU» – «Wenn DU die Schlagzeile bist».

Knapp zwei Wochen später hatte es Pickard in die Schlagzeilen zahlreicher grosser Medien der Welt geschafft. Am 14. Juni reichte der Kommunikationschef der AIIB seine Kündigung ein und bestieg ein Flugzeug ins kanadische Vancouver. Pickard machte seinen Abtritt auf Twitter öffentlich und begründete ihn mit einem zu grossen Einfluss der chinesischen Kommunisten auf die Entwicklungsbank.

Ausserdem, so Pickard, herrsche in der AIIB ein «toxisches Klima». Anschuldigungen, die für erhebliche Unruhe in der Führungsspitze der Bank und bei den Mitgliedsländern sorgten, kommen sie doch zu einer Zeit, da die geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen zunehmen.

Die kanadische Regierung kündigte umgehend an, sie werde Pickards Vorwürfe untersuchen. Ausserdem hat Ottawa sämtliche Aktivitäten Kanadas in der Bank bis auf weiteres eingefroren. Die Ergebnisse der Prüfung will Kanadas Regierung in einigen Wochen vorlegen.

Auch die AIIB selbst hat eine Prüfung der Vorwürfe des Kanadiers eingeleitet. Gesteuert wird sie vom Chef der Rechtsabteilung, Alberto Ninio, und von Chris Legg, einem ehemaligen Vorstandsmitglied der Bank aus Australien. Die Bank wollte die Prüfung am 30. Juni abschliessen. Nur zwei Wochen dürfen für die Prüfung derart weitreichender Vorwürfe allerdings als sehr kurzer Zeitraum gelten.

«Der AIIB ging es darum, mit der Prüfung früher fertig zu werden als die kanadische Regierung», sagt ein europäisches Vorstandsmitglied, das anonym bleiben möchte. Hatte es zunächst geheissen, der Bericht werde nicht öffentlich gemacht, erklärte ein Sprecher der AIIB auf Anfrage jetzt, man werde die Ergebnisse später veröffentlichen.

Die Schweizer Regierung verfolgt den Vorgang mit grosser Aufmerksamkeit. «Die Schweiz hat die öffentlichen Vorwürfe des ehemaligen Kommunikationschefs der Asiatischen Infrastruktur-Bank (AIIB) bezüglich Einfluss Chinas und schlechter Arbeitskultur bei der Bank zur Kenntnis genommen und verfolgt deren Aufarbeitung eng», heisst es in einer Medienmitteilung des Staatssekretariats für Wirtschaft. Die Schweiz gehörte 2016 zu den Gründungsmitgliedern der AIIB und hält einen Stimmrechtsanteil von 0,82 Prozent.

Machtfülle des Präsidenten

Was ist also dran an den Vorwürfen des ehemaligen Kommunikationschefs? Pickard spricht von einer enormen Machtfülle des AIIB-Präsidenten Jin Liqun, eines Mitglieds der Kommunistischen Partei (KP) Chinas. «Welches Projekt realisiert wird, wer ein zusätzliches Budget bewilligt bekommt, wer zusätzliches Personal bekommt, all das entscheidet einzig der Präsident», sagt Pickard am Telefon.

Wer ist Jin Liqun? Jin blickt auf eine Bilderbuchkarriere im chinesischen Finanzsektor zurück. Er arbeitete unter anderem zwanzig Jahre im Finanzministerium, sass im Vorstand der chinesischen Investmentbank CIIC und gehörte dem Aufsichtsrat des chinesischen Staatsfonds CIC an.

Die Entwicklungsbank AIIB, die Infrastrukturprojekte in der ganzen Welt finanziert, hat einen zwölfköpfigen, international besetzten Vorstand. Dieser soll das Präsidium kontrollieren. Dort sitzen Vertreter der AIIB-Mitgliedsländer; auch ein Schweizer nimmt in dem Gremium Platz. Neun der zwölf Vorstandsmitglieder sind sogenannte Non-Resident-Mitglieder, sitzen also nicht in der AIIB-Zentrale in Peking, sondern fliegen nur zu den Sitzungen ein. Während der drei Pandemie-Jahre hätten keine persönlichen Sitzungen des Vorstands stattgefunden, so Pickard.

«Das hat dazu geführt, dass der Präsident seinen Einfluss erheblich ausbauen konnte», sagt der Kanadier. Über ein informelles Netzwerk aus Mitarbeitern der Bank, die ebenfalls der KP angehören, habe Jin während der Pandemie seine Macht vergrössert. Konkrete Beispiele für direkte Einflussnahme der KP bleibt Pickard im Gespräch allerdings schuldig.

Fragwürdiges Geschäftsgebaren

Führungskräfte der Bank berichten aber von fragwürdigem Geschäftsgebaren. Ein europäischer Vorstand erzählt etwa, wie mehrere ausländische Mitglieder des Gremiums gefordert hätten, dass bei der Verwendung von Solarmodulen für Photovoltaik-Projekte sichergestellt sei, dass diese nicht von Zwangsarbeitern hergestellt würden.

Grund für die Besorgnis: Ein erheblicher Teil der weltweit verbauten Module kommt aus der Uiguren-Region Xinjiang. Chinesische Kollegen hätten empört auf die Forderung reagiert und den Europäern vorgeworfen, sie wollten «Chinas Image beschmieren». Offiziell bestreitet die AIIB den Vorgang.

Mehrere Führungskräfte aus dem Ausland hätten sich auch gegen den Vorschlag des Präsidiums gestellt, russische Unternehmen an von der AIIB finanzierten Projekten zu beteiligen, sagt Pickard im Gespräch. Sie fürchteten einen Imageschaden für die Bank. Die Bedenken seien allerdings beiseitegewischt worden, sagt Pickard. «Als ich die Bank verliess, suchte man bereits nach einem Termin für ein Treffen mit den russischen Unternehmensvertretern», so der ehemalige PR-Chef der Bank. Ein AIIB-Sprecher erklärt auf Anfrage, es gebe bis anhin keinen Termin.

China hält den grössten Stimmrechtsanteil

China gründete die multilaterale Entwicklungsbank im Jahr 2015, im Januar 2016 nahm sie die Arbeit auf. Peking ging es auch darum, der von den USA dominierten Weltbank und der massgeblich von Japan beeinflussten Asiatischen Entwicklungsbank etwas entgegenzusetzen. Inzwischen haben sich 106 Länder der AIIB angeschlossen; den mit Abstand grössten Stimmrechtsanteil hält mit fast 26 Prozent allerdings China. Damit hat das Land ein Vetorecht.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kündigte die Gründung der AIIB 2013 an, genau in dem Jahr, in dem er in Kasachstan seine Belt-and-Road-Initiative (BRI) vorstellte. Die Bank finanziert laut Website überdurchschnittlich viele Projekte in asiatischen Schwellenländern, vor allem in Zentralasien. Ein Nachweis, dass darunter auch BRI-Projekte fallen, ist schwierig, denn es gibt keine Liste mit entsprechenden Infrastrukturvorhaben. Was ein BRI-Projekt ist, entscheidet allein Peking. Die Öffentlichkeit erfährt im Zweifelsfall nichts davon.

Eine neue Form des Multilateralismus

Natürlich nutzt die chinesische Regierung die AIIB auch, um ihren politischen Einfluss in der Welt auszuweiten und eine neue Form des Multilateralismus zu etablieren, bei dem China die Regeln definiert. Doch das tun die Länder, die andere Entwicklungsbanken dominieren, ebenfalls.

Sicher ist, dass der Präsident Jin Liqun im operativen Geschäft über eine ungewöhnlich grosse Machtfülle verfügt. Anders als bei anderen multilateralen Entwicklungsbanken kann der AIIB-Chef Projekte bis zu einem Finanzierungsvolumen von 200 Millionen Dollar im öffentlichen Sektor und 100 Millionen Dollar im Privatsektor im Alleingang durchwinken. Ausserdem beschloss die AIIB vor wenigen Jahren eine erhebliche Beschleunigung bei Entscheiden über Projekte, um die Effizienz zu steigern. Da ist die Gefahr gross, dass weniger Fragen gestellt werden und Projekte weniger genau geprüft werden.

Zwar hat der Vorstand ein sogenanntes Call-in-Recht, kann also Projekte zurückrufen. Doch Gebrauch von seinem Recht macht das Gremium offenbar kaum. «Call-in-Rechte werden selten wahrgenommen, denn Bedenken werden frühzeitig ausgeräumt», beteuert ein AIIB-Vizepräsident.

Innerhalb der AIIB ist die Nervosität gross. Denn sollte Kanada im Rahmen seiner Prüfung Belege für eine politische Einflussnahme finden und bei der Bank aussteigen, könnten andere westliche Länder nachziehen. Und das wäre ein Problem. Schliesslich verdankt die AIIB ihr AAA-Rating europäischen Mitgliedsländern wie Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien.

Autor: Matthias Kamp · Artikel aus der NZZ · Bild: Die Zentrale der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank in Peking. Chinas Regierung erdachte die multilaterale Entwicklungsbank im Jahr 2015, um der amerikanisch dominierten Weltbank etwas entgegenzusetzen (Costfoto/Getty)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

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