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Eine indopazifische Nato oder ein loser Klub – wohin steuert die Quad?

Eine indopazifische Nato oder ein loser Klub – wohin steuert die Quad?

Die Ursprünge der Partnerschaft zwischen Australien, Indien, Japan und den USA liegen zwanzig Jahre zurück. In den vergangenen Jahren wurde die Kooperation zunehmend enger, dennoch stellen sich Fragen zur Zukunft.
Eigentliche Quad-Manöver gibt es nicht, dennoch arbeiten die Marinen der vier Länder zusammen: hier bei der indischen Übung «Malabar», an der seit 2020 alle vier Quad-Partner teilnehmen. (AP)

Als Chinas Aussenminister Wang Yi im März 2018 gefragt wurde, was er von der Indopazifik-Strategie der USA, Indiens, Japans und Australiens halte, war er gnadenlos direkt: «Solche Ideen sind wie Schaumkrönchen im Pazifik oder im Indischen Ozean: Sie mögen etwas Aufmerksamkeit erregen, verflüchtigen sich aber bald schnell.»

Die Rede war von der Quad, wie die lose Gruppierung zwischen Washington, Delhi, Tokio und Canberra heisst. Verflüchtigt hat sie sich nicht. «Die Quad wird bleiben, und die Quad wird wachsen», sagte Indiens Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar Ende März an einem Forum zur Quad am Rande des Raisina Dialogue, Indiens jährlicher Sicherheitskonferenz in Delhi.

Die Quad brauchte zwei Anläufe

Die Quad, so wie sie sich heute präsentiert, ist die zweite Auflage des Verbunds. Zum ersten Mal arbeiteten die Streitkräfte der vier Länder Ende 2004 bei der Katastrophenhilfe nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean zusammen. Drei Jahre darauf trafen sich Vertreter der vier Länder zum ersten Mal zu Koordinationsgesprächen.

China sah das Treffen als gegen sich gerichtet und reagierte verärgert. Vor allem die damalige australische Regierung, aber auch die USA waren um gute Beziehungen zu Peking bemüht und ruderten zurück. Das Schaumkrönchen verflüchtigte sich erst einmal.

Zehn Jahre später wehte im Indopazifik ein rauerer Wind. Ab 2017 trafen sich die vier Länder wieder, zuerst auf Niveau der Vizeaussenminister, dann der Aussenminister und seit gut zwei Jahren auch ihrer Staats- und Regierungschefs. Treibende Kraft des Neustarts war der damalige japanische Ministerpräsident Shinzo Abe. Er hatte das Konzept des «Free and Open Indo-Pacific» stipuliert, auf das alle Quad-Länder schwören.

Was die Länder wieder zusammenbrachte, war Chinas zunehmend aggressives Auftreten in der Region: Japan spürt Pekings stetigen Druck um die Senkaku-Inseln, Indien an der gemeinsamen Grenze im Himalaja. Gegen Australien führte China zeitweise einen Wirtschaftskrieg, und die chinesische Marine versucht die Amerikaner aus dem Südchinesischen Meer zu verdrängen, obwohl dieses nach Seerecht Schiffen allen Nationen offensteht.

Ein Podiumsteilnehmer des Forums in Delhi meinte daher lakonisch: «Die Quad ist ‹made in China›.»

Schon 2020 sprach Aussenminister Wang Yi von der Quad nicht mehr als Schaumkrönchen. Vielmehr beklagte er sich darüber, dass eine asiatische Nato im Entstehen sei. Immer wieder kritisiert China seither die Quad als Ausdruck eines Blockdenkens wie im Kalten Krieg.

Die Quad ist sehr lose organisiert

Die Quad ist schwer fassbar. Es gibt keine Gründungsurkunde, keine organisationelle Struktur, keinen Hauptsitz und schon gar keine militärische Beistandspflicht, wie es die Nato unter Artikel 5 vorsieht.

Erst im Mai vergangenen Jahres verabschiedeten Anthony Albanese, Narendra Modi, Fumio Kishida und Joe Biden eine gemeinsame Erklärung, welche das Ziel der Quad umreisst: «Unsere Vision ist ein Indopazifik, in dem Frieden und Wohlstand herrscht, der stabil und sicher ist, in dem die Souveränität aller Länder geachtet wird – frei von Einschüchterung und Zwang – und in dem Konflikte im Einklang mit dem Völkerrecht beigelegt werden.»

Der sprichwörtliche Elefant im Raum ist China – es ist auffallend, wie praktisch alle Beteiligten es tunlichst vermeiden, dies direkt anzusprechen. Ein australischer Forumsteilnehmer in Delhi meinte kritisch, dass die Quad deutlich machen müsse, wofür sie stehe – gegen China sein genüge nicht.

Die Quad ist in so vielen Bereichen tätig, dass es für Aussenstehende schwierig ist, die Übersicht zu behalten. So gibt es Arbeitsgruppen zum Klimawandel, zu kritischen Zukunftstechnologien, Cyber, globaler Gesundheit, Infrastruktur und Weltraum. Laut einem involvierten Diplomaten ist viel im Tun – sichtbar ist bis anhin recht wenig. Kritiker monieren, dass sich die Quad verzettelt habe.

Die Quad engagiert sich in der maritimen Sicherheit

Konkrete Resultate will die Quad im Bereich der maritimen Sicherheit liefern. Mit der Indo-Pacific Partnership for Maritime Domain Awareness (IPMDA) sammeln die USA, Australien, Japan und Indien Informationen über Ereignisse auf dem Meer und tauschen diese aus. Es geht um Schmuggel, illegale Fischerei, Auswirkungen des Klimawandels oder Naturkatastrophen.

Viele kleinere Länder im Indopazifik stehen vor der Herausforderung, ihre riesigen exklusiven Wirtschaftszonen zu überwachen und ihre Souveränität durchzusetzen. Die Quad verspricht ihnen, Informationen zur Verfügung zu stellen, welche die Streitkräfte der vier Länder mit ihren extensiven Aufklärungsmitteln wie Satelliten oder Flugzeugen sammeln.

Ein Netz von Stützpunkten auf dem indischen und dem australischen Festland sowie auf abgelegenen Inseln, wo australische, indische oder amerikanische Flugzeuge stationiert sind, erlaubt den Quad-Streitkräften eine fast lückenlose Abdeckung des Indischen Ozeans. Im Pazifik erfüllen Basen in Japan, Guam, Hawaii, aber auch Südkorea oder den Philippinen die gleiche Rolle.

Quad-Vertreter versprechen, dabei eng mit regionalen Organisationen im Indopazifik zusammenzuarbeiten. Zentral ist die Assoziation der Südostasiatischen Staaten (Asean), deren 10 Mitgliedsländer am Schnittpunkt des Indischen und des Pazifischen Ozeans liegen. Dazu kommen das Pacific Islands Forum (PIF), das 18 Länder und Territorien vereint, sowie die Indian Ocean Rim Association (IORA) mit ihren 23 Mitgliedern von Afrika bis Indonesien und Australien.

Weniger Freude an den Überwachungsaktivitäten der Quad-Partner hat China. Einerseits sind viele illegale Fischerboote in der Region aus China – trotz regelmässigen Beteuerungen Pekings, dass es dagegen vorgehe. Andererseits sind die eingesetzten Flugzeuge militärische Maschinen. Und diese sehen natürlich auch die Aktivitäten der chinesischen Marine und Küstenwache.

Die Zusammenarbeit zwischen den Marinen wird enger

Die Streitkräfte der Quad-Länder arbeiten in unterschiedlicher Kombination zusammen. Häufig sind gemeinsame Übungen zwischen zwei oder drei der Mitglieder, besonders eng sind diese zwischen den USA und ihren Allianzpartnern Japan und Australien. Ein offizielles Quad-Manöver gibt es nicht. Inoffiziell übernimmt diese Rolle «Malabar», das 1992 als bilaterale Übung zwischen den USA und Indien begann. Seit 2020 sind alle vier Quad-Länder daran beteiligt.

Aus den Interventionen am Forum in Delhi und im Hintergrundgespräch mit Diplomaten wird deutlich, dass hinter den Kulissen darum gerungen wird, wie sich die Quad künftig ausrichten soll. Indien soll noch zusätzliche Themen abdecken wollen, Australien scheint eher zurückhaltend zu sein.

Auch in der Frage, wie stark die Quad im militärischen Bereich tätig sein soll, ist offen. Besonders Indien, das eine lange Tradition hat, keine Allianzen einzugehen, scheut sich davor. Auch würde eine Militarisierung der Quad in der Region, etwa der Asean, Besorgnis erregen: Diese Länder wollen tunlichst vermeiden, sich zwischen China und einem antichinesischen Lager festlegen zu müssen.

Es ist etwas ironisch, dass es Peking ist, das es in der Hand hat, wohin sich die Quad orientiert. Je mehr es Druck auf Japan, Australien und Indien macht, desto enger schliessen sich diese mit den USA zusammen. Und je aggressiver Peking seine Interessen in der Nachbarschaft – etwa im Südchinesischen Meer – durchsetzt, desto mehr lehnen sich auch andere Länder an die Quad an.

Um bei dem Bild von Wang Yi zu bleiben: Ob die Quad ein Schaumkrönchen oder eine wuchtige Welle wird, hängt stark vom Wind ab, der aus Peking bläst.

Autor: Patrick Zoll, Delhi · Artikel aus der NZZ · Bild: Eigentliche Quad-Manöver gibt es nicht, dennoch arbeiten die Marinen der vier Länder zusammen: hier bei der indischen Übung «Malabar», an der seit 2020 alle vier Quad-Partner teilnehmen. (AP)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

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