Meldungen & Publikationen

Welche Schiffe braucht Taiwans Marine?

Welche Schiffe braucht Taiwans Marine?

Die Marine würde bei der Verteidigung der Insel eine wichtige Rolle spielen. Doch für den Kriegseinsatz braucht es andere Schiffstypen als in Friedenszeiten.
Welche Schiffe braucht Taiwans Marine? Ann Wang / Reuters

Die Marine würde bei der Verteidigung der Insel eine wichtige Rolle spielen. Doch für den Kriegseinsatz braucht es andere Schiffstypen als in Friedenszeiten.

Marschmusik, eine Ehrengarde in weissen Uniformen, die streng choreografiert die Gewehre durch die Luft wirbelt, das Karate-Team der Marineinfanterie – Taiwans Marine hat sich einiges einfallen lassen, um dem Publikum an einem Tag der offenen Tür etwas zu bieten. Dazu gehören auch die drei Schiffe am Quai, alle erst seit kurzem in Dienst: ein riesiges Landungsschiff, ein schnittiger Katamaran und ein kleiner, unscheinbarer Minenleger.

Auch wenn bei diesem Anlass die Unterhaltung der Bevölkerung und damit die Werbung für den Dienst in der Marine im Vordergrund steht – die drei Schiffe stehen für unterschiedliche Auffassungen, wie sich die Insel Taiwan zur See verteidigen soll. Einem klassischen Ansatz steht die asymmetrische Kriegsführung gegenüber.

Das Docklandungsschiff: besser geeignet für Friedens- als für Kriegseinsätze

Die «Yushan» ist der Stolz der taiwanischen Marine: 150 Meter lang und 10 000 Tonnen schwer, kann sie mehrere hundert Marineinfanteristen mit Ausrüstung an einem Strand landen. Das Heck des Docklandungsschiffes lässt sich fluten, kleinere Landungsschiffe und gepanzerte amphibische Fahrzeuge können direkt ins Wasser gelassen werden. Zwei Helikopter finden in den Hangars Platz, das Schiff hat einen voll ausgerüsteten Operationssaal und mehrere Intensivpflegeplätze für Verletzte.

Die «Yushan» steht seit weniger als einem halben Jahr in Dienst. Drei weitere Einheiten sind geplant. Ihre Stärke ist, dass sie nicht auf einen Hafen angewiesen ist, um Truppen und Material an Land zu bringen. Darum gehört auch die Katastrophenhilfe zu ihrem Einsatzprofil, Taifune und Erdbeben sind in Taiwan häufig.

Wie nützlich solche Schiffe jedoch im Kriegsfall sind, ist umstritten. Das Szenario, dass Taiwan eine Insel (zurück)erobert, ist höchst unwahrscheinlich. Gross und verhältnismässig langsam, wäre das Schiff ein einfaches Ziel. China hat ein breites und modernes Arsenal von Antischiffsraketen, welche der «Yushan» zum Verhängnis werden könnten.

Die Korvette: mit Überschallraketen gegen feindliche Kriegsschiffe

Neben der «Yushan» verschwindet die «Tachiang» fast. Statt gross und wuchtig ist die vor zwei Jahren in Dienst gestellte Korvette flink. Auf dem feindlichen Radar soll sie schwer zu erkennen sein. 65 Meter lang und voll beladen knapp 700 Tonnen schwer, ist sie mit ihrem Katamaran-Rumpf bis zu 80 km/h schnell.

Ihre Hauptaufgabe ist es, feindliche Kriegsschiffe zu versenken. Dazu hat sie Antischiffsraketen des Typs Hsiung Feng II und III an Bord. Die ältere Version der Lenkwaffe ist weniger schnell als der Schall und hat eine Reichweite von bis zu 250 Kilometern. Die neuere Version fliegt mit fast zweieinhalbfacher Schallgeschwindigkeit und erreicht Ziele bis in 400 Kilometern Entfernung.

Vier Schwesterschiffe der «Tachiang» sind bereits im Einsatz, insgesamt soll die Tuo-Chiang-Klasse in ein paar Jahren zwölf Schiffe umfassen. Einzelne Einheiten sind stärker auf die Flugabwehr ausgerichtet als auf den Kampf gegen andere Schiffe.

Der Minenleger: viel Zerstörungskraft für wenig Geld 

Das dritte Schiff am Quai in Kaohsiung ist so bescheiden, dass es nicht einmal einen Namen hat. «Schneller Minenleger Nummer 1» steht einzig auf der Tafel, welche die wichtigsten Daten zeigt: 41 Meter lang, 20 km/h langsam und ausgerüstet mit einem automatischen System zum Legen von Seeminen.

Minen gelten als typische asymmetrische Waffen: Sie kosten wenige zehntausend Dollar und können Kriegsschiffe, die Hunderte von Millionen kosten, ausser Gefecht setzen oder gar versenken. Wenn der anrückende Feind damit rechnen muss, dass Minen im Wasser sind, muss er einen grossen Aufwand betreiben, um diese zu finden und zu neutralisieren. Das kann eine Invasion stark verzögern. Im Falle von Taiwan würde das erlauben, sich gegen die anrückenden chinesischen Landungstruppen besser zu positionieren. Und die Schutzmacht Amerika hätte mehr Zeit, ihre Kräfte in die Region zu versetzen.

Die Strasse von Taiwan ist gut für den Einsatz von Minen geeignet, weil sie nicht sehr tief ist. Vielerorts beträgt die Wassertiefe zwischen 50 und 100 Meter. Taiwan hat eine breite Palette von Minen entwickelt, die in Tiefen von 10 bis 300 Metern eingesetzt werden können.

Moderne Seeminen detonieren meist nicht auf Kontakt. Vielmehr entdecken sie Veränderungen in Magnetfeld, Druck oder Schall, welche vorbeifahrende Schiffe verursachen. Sogenannt «smarte» Minen können sogar auf bestimmte Schiffstypen programmiert werden. Die genauen Eigenschaften der taiwanischen Minen sind nicht bekannt. Ebenso bleibt geheim, wie viele Minen einer der insgesamt vier schnellen Minenleger transportieren und wie schnell er diese verlegen kann.

Im Kriegsfall muss Taiwan auf asymmetrische Mittel setzen

Taipehs Herausforderung ist, mit beschränkten Mitteln Peking vor einem Angriff abzuschrecken oder diesen allenfalls zurückzuschlagen. Das Budget der Volksbefreiungsarmee ist 23-mal so gross wie jenes der taiwanischen Streitkräfte.

«Wir haben nicht die Mittel, um für jedes neue Kriegsschiff der Chinesen ein eigenes zu bauen», sagte der der ehemalige taiwanische Generalstabschef Lee Hsi-min vor einem Jahr gegenüber der NZZ im Gespräch.

Admiral Lee ist ein bekannter Verfechter der sogenannten «Stachelschweinstrategie». Diese sieht vor, Taiwan vorwiegend mit leichten, mobilen und günstigen Waffen auszurüsten und so einen asymmetrischen Abwehrkrieg zu führen.

In den Worten von Lee: «Gegen die anrückende Flotte können Antischiffsraketen, Seeminen und kleine Boote mit Raketenwerfern zum Einsatz kommen.» In Lees Augen sind es also die beiden bescheideneren Schiffe am Quai von Kaohsiung, welche für Taiwan im Kriegsfall am nützlichsten sein werden. Nicht die grosse, beeindruckende «Yushan». Kleinere Einheiten haben auch den Vorteil, dass sie viel günstiger sind. Mit dem gleichen Budget lassen sich mehr Schiffe bauen, die an mehreren Orten präsent sein können.

Das Problem ist allerdings, dass die Mittel, welche für die Abwehr einer Invasion gefragt sind, sich nicht unbedingt für andere Situationen eignen. Taiwans Verteidigungsministerium sei gefangen zwischen zwei Prioritäten, schreibt John Dotson, der Vizedirektor des Global Taiwan Institute: auf der einen Seite die Verschiebung hin zu einer stärker asymmetrisch ausgerichteten Verteidigung, auf der anderen Seite die Notwendigkeit, konventionelle Mittel zu erhalten, um den stetig zunehmenden Druckversuchen durch die Volksrepublik China zu begegnen.

Admiral Lee ist bekannt dafür, dass er immer wieder die gegenwärtige Führung der Streitkräfte dafür kritisiert, dass sie einem veralteten Denken anhafte und zu stark auf prestigeträchtige, grosse Schiffe setze. Doch auch Lee gesteht ein, dass es die grösseren Plattformen brauche. Wenn sich chinesische Schiffe den taiwanischen Gewässern annähern, muss Taiwan dem etwas entgegnen können. Dann braucht es Kriegsschiffe, welche die chinesische Marine beschatten und sich ihr entgegenstellen, ohne gleich zu schiessen.

Diese unterschiedlichen Aufgaben spiegeln sich in den drei Schiffen, welche in Kaohsiung am Quai liegen.

Autor: Patrick Zoll, Kaohsiung · Artikel aus der NZZ · Bild: Eine Korvette der Tuo-Chiang-Klasse demonstriert ihre Fähigkeiten in Gewässern im Norden von Taiwan. (Ann Wang / Reuters)

Mit freundlicher Genehmigung der NZZ und auf vertraglicher Grundlage.

 

Facebook
Twitter
LinkedIn

Unser Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie den Newsletter der Asienbrücke.

Wir nehmen den Schutz Ihrer persönlichen Daten ernst und möchten einen Missbrauch Ihrer E-Mail-Adresse vermeiden. Ihre E-Mail-Adresse wird nur zum Versand des Newsletters verarbeitet. Nach dem Absenden Ihrer Anmeldung erhalten Sie eine automatisch generierte E-Mail, die einen Link zur Bestätigung der Newsletter­bestellung enthält. Erst wenn Sie diese Seite aufrufen, wird die Bestellung wirksam. Sie können Ihre Ein­willi­gung jederzeit zurückziehen und sich wieder vom Newsletter abmelden. Der Widerruf kann insbesondere durch Klick des Abbestelllinks in den zugesandten Nachrichten erfolgen.